Sehr geehrter Herr Landeshauptmann Stelzer.
Wie Sie wissen, ist Rechtsextremismus ein grassierendes Problem in Oberösterreich, das nicht erst seit gestern existiert. Über mehrere Jahrzehnte haben sich rechtsextreme und neonazistische Tendenzen in unserem Bundesland breit gemacht, die in den letzten Jahren wieder verstärkt auftreten. Alleine in Oberösterreich nehmen die Anzahl von Straftaten mit rechtsextremem Hintergrund ein Drittel aller Fälle in der gesamten Republik ein. Mit rund 190 einschlägigen Fällen war Oberösterreich auch 2022 wieder im traurigen Spitzenfeld. Darauf sind wir als „Linz gegen Rechts“ nicht stolz, ganz im Gegenteil.
Bisher haben sich Ihre Maßnahmen gegen Rechtsextremismus in Oberösterreich als zahn- und wirkungslos erwiesen. Im Juni dieses Jahres wurde ein Waffenlager des neonazistischen Vereins „Objekt 21“ ausgehoben und hunderte Waffen – darunter Maschinengewehre und Granatwerfer – von den Sicherheitsbehörden gefunden. Die öffentliche Empörung war groß, die Maßnahmen der Landesregierung hingegen überschaubar. Erinnern müssen wir uns an dieser Stelle auch an die Nazi-Tattoos im Braunauer Freibad oder als im Jahr 2021 vor der Mahn- und Gedenkstätte Mauthausen Hitlerreden durch Lautsprecher liefen sowie die Wände mit Symbolen beschmiert wurden. Auch Sie, Herr Landeshauptmann, zeigten sich nach vielen dieser Vorfälle bestürzt. Doch wann setzen Sie Ihre Bestürzung endlich in Taten um?
Ein weiteres Beispiel für das Agieren der rechtsextremen Szene, sind die Aktivitäten der Jugendorganisation Ihres Koalitionspartners, der Freiheitlichen Jugend. Mit Themen wie „Remigration“ pilgerte die FPÖ-Jugendorganisation gemeinsam mit Mitgliedern der rechtsextremen Identitären Bewegung durch Oberösterreichs Bezirke und hetzte offen mit menschenfeindlichen und rassistischen Aussagen gegen Menschen anderer Herkunft.
Die Freiheitliche Jugend ist integraler Bestandteil der FPÖ. Dieser Partei und ihrer Jugendorganisationen fehlt es nicht nur um Abgrenzung zum äußerst rechten Rand, sie ist Teil des Problems. Trotzdem stellen Sie, Herr Landeshauptmann, weiterhin den Ehrenschutz für den Burschenbundball, eine Tradition aus Zeiten Ihres Vorgängers Heinrich Gleißner, der selbst in der NS-Zeit interniert war. Besagter Ball, ausgerichtet von der Burschenschaft „Arminia Czernowitz“, ist Treffpunkt der rechtsextremen Szene Europas und gilt als Äquivalent zum Akademikerball in Wien – mit dem einzigen Unterschied, dass die bürgerliche Mitte am Wiener Akademikerball nicht anstreifen möchte. Für uns als Bündnis „Linz gegen Rechts“ ist es untragbar, wieso Sie weiterhin diesen Ehrenschutz gewähren und noch dazu Gast dieser Veranstaltung sind.
Als Landeshauptmann des Bundeslandes, in dem Mauthausen, Gusen, Ebensee, Gunskirchen und Hartheim als Mahnmale der Verbrechen des 20. Jahrhunderts stehen, in denen viele Täter nicht nur geboren wurden, sondern nach dem Krieg in Unbescholtenheit weiterleben konnten, verurteilen wir Ihren weiterhin geführten Ehrenschutz für den Burschenbundball. Ebenso verurteilen wir Ihre Untätigkeit und partielle Blindheit gegenüber dem Rechtsextremismus und dem Faschismus.
Anstatt, dass Sie oder die Bundesregierung tätig werden, verschließen Sie die Augen vor einer eindeutig erkennbaren Bedrohung. Deshalb fordern wir Sie auf, endlich wirksame Maßnahmen gegen Rechtsextremismus zu setzen und jegliche Verbindung mit rechtsextremen Gruppen und Parteien einzustellen! Und im kommenden Jahr jedenfalls nicht den Ehrenschutz für den Burschenbundball übernehmen.
Mit antifaschistischen Grüßen,
Bündnis „Linz gegen Rechts“