Jahrelanger Prozess gegen AnmelderInnen einer Demonstration endet mit richtungsweisendem Urteil des Obersten Gerichtshofes. Schadensersatzklage gegen SJ Oberösterreich und KJÖ nun auch in letzter Instanz abgewiesen. Schöberl und Andree: „Sieg für Versammlungsfreiheit!“
Linz/Wien. Vor mittlerweile über vier Jahren – am 29. Oktober 2016 – organisierte das Bündnis „Linz gegen Rechts“ eine Demonstration gegen eines der größten rechtsextremen Vernetzungstreffen im deutschsprachigen Raum. Rund 3.000 TeilnehmerInnen beteiligten sich daran und setzten damit ein wichtiges Zeichen für ein solidarisches Miteinander und gegen Rassismus und rechte Hetze. Die Demonstrationsanmelderinnen, die Sozialistische Jugend Oberösterreich (SJ OÖ) und die Kommunistische Jugend Österreichs (KJÖ), wurden daraufhin geklagt, weil während des Demonstrationszuges ein Sachschaden auf einem Gebäude entlang der Route entstand. Der Sachschaden selbst wurde von einer Person verübt, die von der Polizei weder im Vorhinein gestoppt wurde noch im Nachhinein identifiziert werden konnte.
Während das Bezirksgericht Linz den Klägern in erster Instanz Schadenersatz inklusive Prozesskosten in Höhe von 23.263,45€ zusprach, hob das Landesgericht Linz das folgenschwere Urteil im Sinne einer gänzlichen Klagsabweisung auf. Die klagenden Parteien, der Inhaber des Lokals „Josef das Stadtbräu“ und der „Kaufmännischen Verein in Linz“, wurden zu ungeteilter Hand schuldig befunden, den beklagten Parteien die Kosten des Verfahrens und des Berufungsverfahren zu ersetzen. Das Berufungsgericht hatte eine ordentliche Revision zugelassen, „da keine Rechtsprechung zu Demonstrationsschäden im Zusammenhang mit angemeldeten und grundsätzlich friedlich verlaufenden Demonstrationen bestehe, sowie zur Frage, welche Verpflichtungen Versammlungsleitern im Hinblick auf § 11 VersG auferlegt seien und inwieweit daraus Sorgfaltspflichtverletzungen begründet sein könnten.“ Basierend auf dieser Grundlage versuchten die Kläger schließlich die richterliche Entscheidung des Berufungsgerichts vor dem Obersten Gerichtshof (OGH) zu bekämpfen.
Das am 1. März 2021 an die beklagten Jugendorganisationen übermittelte OGH-Urteil stellt nun rechtswirksam klar: „Die Revision ist (…) zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.“ Der Oberste Gerichtshof wies damit die Revision der klagenden Parteien vollinhaltlich ab und erklärte: „Zu Recht hat daher das Berufungsgericht die Klage abgewiesen.“
Seinen Urteilsspruch begründete der OGH unter anderem wie folgt: Eine Haftung des Veranstalters komme bei „an sich friedlicher Demonstrationen für fremde Sach- und Personenschäden in der Regel nur dann in Frage, wenn überhaupt keine Sicherheitsvorkehrungen (zB keine Bestellung eines Ordnungsdienstes) zur Abwendung von Risiken getroffen würden“. So verwies der Oberste Gerichtshof auch darauf, dass die Sicherungspflichten der Veranstalter von Demonstrationen nicht überspannt werden dürften, da „sonst die grundrechtlich geschützte Demonstrationsfreiheit darunter litte“. Bezugnehmend auf die gegenständliche Demonstration konnte der Oberste Gerichtshof auch keinerlei Fehlverhalten oder gar – wie von den Klägern behauptet – eine Beitragstäterschaft der Jugendorganisationen KJÖ und SJ OÖ feststellen, sondern hielt stattdessen fest: „Die Organisation im Hinblick auf Leitung und Ordner entsprach nicht nur den Vorgaben der Polizei, es wurde vielmehr eine größere Anzahl an Ordnern bestellt und erfahrene Versammlungsleiter ausgewählt.“
„Unser jahrelanger Kampf vor den Gerichten hat sich ausgezahlt: Das OGH-Urteil ist ein wichtiger Sieg für die Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit!“, zeigen sich die beiden damaligen DemonstrationsanmelderInnen, Nina Andree (Landesvorsitzende der SJ OÖ) und Raffael Schöberl (bis März 2020 Bundesvorsitzender der KJÖ), erleichtert. „Dieser rechtswirksame Urteilsspruch ist richtungsweisend für alle zukünftigen Demonstrationen in Österreich – denn schlussendlich konnten wir damit verhindern, dass das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit zur Frage des Geldbeutels wird.“